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Aus der ZeitschriftSZS 5/2016 | p. 433–434Es folgt Seite №433

Vorwort

Am 30. Juni 2016 stellte die Schweizerische Gesellschaft für Psychiatrie und Psychotherapie (SGPP) an ihrer in Baden durchgeführten Fachtagung die dritte Auflage ihrer vollständig überarbeiteten und ergänzten Leitlinien für die Begutachtung psychiatrischer und psychosomatischer Störungen in der Versicherungsmedizin (Qualitätsleitlinien für versicherungspsychiatrische Gutachten) einem Publikum von Ärzten und Juristen vor, umrahmt von Erläuterungen und Einschätzungen seitens der an ihrer Erarbeitung mitwirkenden und beratenden Juristen und Ärzte. Mit dem vorliegenden Heft will die SZS diese Leitlinien sowie die an der Fachtagung gehaltenen Referate auch der interessierten juristischen Leserschaft zugänglich und auf die Bedeutung von Leitlinien, welche ihnen die Rechtsprechung zuteilwerden lässt, aufmerksam machen (vgl. BGE 141 V 281, E. 5.1.2, S.305). Die Besonderheit dieser Leitlinien liegt darin, dass sie den vom Bundesgericht neu, und in Abkehr von der bisherigen Rechtsprechung zu den nicht objektivierbaren Beschwerdebildern unklarer Kausalität, aufgestellten Anforderungen an ein ergebnisoffenes, indikatorenorientiertes bzw. strukturiertes Verfahren (vgl. BGE 141 V 281 E. 4.1.3, S. 297) entsprechen.

Die Leitlinien der SGPP befassen sich nicht nur mit der Begutachtung psychiatrischer, sondern auch mit derjenigen somatoformer Störungen, konnten aber die Ergebnisse der an der Universität Basel laufenden und bald abgeschlossenen RELY-Studie (SNF-Studie «Reliable psychiatrische Begutachtung im Rentenverfahren») nicht abwarten. Nichtsdestotrotz sind sie von hohem Wert, da sie den methodischen und auf wissenschaftlichen und evidenzbasierten Kriterien der medizinischen Fachgesellschaft beruhenden Rahmen bezüglich Aufbau und Inhalt für den Begutachtungsprozess im versicherungsmedizinischen Kontext abgeben. Leitlinien sind wertvolle Instrumente für die Praxis, weisen jedoch keinen normativen Charakter auf und haben einen tieferen Verbindlichkeitsgrad als von Fachgesellschaften herausgegebene Richtlinien. Bei Leitlinien handelt es sich vielmehr um eine Empfehlung und Anleitung an die Gutachter mit dem Ziel, eine gewisse formale Vereinheitlichung resp. Rechtsgleichheit zu erreichen und dem Gutachter die bei seiner Aufgabe zu beachtenden wesentlichen Punkte zu vermitteln. Aus der Sicht der Versicherungen, Anwälte und der Rechtsprechung sind sie hilfreich für die Beurteilung der Qualität eines Gutachtens, insbeson- Aus der ZeitschriftSZS 5/2016 | p. 433–434 Es folgt Seite № 434dere hinsichtlich Vollständigkeit und Nachvollziehbarkeit der Ergebnisse. Dabei ist jedoch zu beachten, dass die methodisch korrekte Abfassung eines Gutachtens noch nicht allein auch dessen Wert und Verwertbarkeit ausmacht. Massgebend haben nach wie vor die angemessene Durchführung der Begutachtung, die inhaltliche Vollständigkeit, Objektivität und Schlüssigkeit zu sein, denn wie bei jedem Spiel hängt die Güte des Spiels nicht allein von der Einhaltung der Spielregeln, sondern vielmehr auch von der Qualität der Spieler, sprich der Gutachter, ab. Diese basiert nicht allein auf einer hochstehenden fachlichen Aus- und Weiterbildung und einem Wissen auf dem aktuellen Stand der medizinischen Wissenschaft. Für einen hochwertigen Begutachtungsprozess massgebend sind zudem Weiterbildungen, die u.a. auch der Vermittlung von Gesprächsführungskompetenzen, der funktionsorientierten Abklärung der Leistungsfähigkeit sowie dem gegenseitigen Austausch von Erfahrungen im Umgang mit Exploranden verschiedenster Charaktere und Herkunft dienen.

Last but not least erhalten Leitlinien den ihnen gebührenden Wert nur, wenn deren Einhaltung auch regelmässig kontrolliert wird und darüber hinaus die Begutachtungsergebnisse laufend ausgewertet werden und in die Leitlinien zurückfliessen. Diese Aufgabe gehört wohl in die Hände eines unabhängigen und neutralen Boards, dem auch andere im Zusammenhang mit der Begutachtung anfallende Aufgaben zuzuordnen wären und der im Interesse der Verfahrensverkürzung über die Sozialversicherungen hinaus Beachtung finden könnte.

Die vorliegenden Leitlinien sowie auch die Leitlinien anderer medizinischer Fachgesellschaften sollen helfen, den Begutachtungsprozess und das Gutachten selbst auf einen Boden zu stellen, der von allen Beteiligten, auch den versicherten Personen, als vertrauenswürdige Grundlage für die zu fällenden Entscheide anerkannt wird. Für die Akzeptanz ausschlaggebend werden aber weiterhin die fachliche und persönliche Integrität und Glaubwürdigkeit aller Akteure sein.

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